Die RAF und der linke Terrorismus

Projektstart: Juli 2004

Seit dem 11. September 2001 beherrschen terroristische Anschläge wieder die Schlagzeilen. An die Stelle jener Meldungen, mit denen die Rote Armee Fraktion, die Bewegung 2. Juni und die Revolutionären Zellen beinahe drei Jahrzehnte lang die Bundesrepublik in Atem zu halten vermochten, sind die sich beinahe täglich überbietenden Schreckensnachrichten von Al-Quaida und anderen zumeist islamistischen Organisationen getreten. Ein globales Gewaltphänomen scheint so ein bundesdeutsches mehr oder weniger vollständig ersetzt zu haben.
Die Faszination, die demgegenüber die RAF hierzulande, zumal für jüngere Leute, über Jahre hinweg immer noch ausübt, musste irritieren und überraschend anmuten. Auf jeden Fall bedurfte sie der Konfrontation durch historische Fakten ebenso wie der durch politische Zusammenhänge und gesellschaftliche Hintergründe.
Das bislang in der Literatur existierende und mithilfe verschiedener Romantizismen weichgezeichnete Bild vom RAF-Terrorismus war aus mehreren Gründen revisionsbedürftig. Es war ebenso personen- wie  organisationsfixiert und es ist geopolitisch - als gäbe es einzig und allein ein quasi-nationales Referenzsystem - restringiert. Resultat war ein ebenso verzerrtes wie redundantes Bild, das in vielerlei Hinsicht in Widerspruch zu den inzwischen verfügbaren Quellen stand und in seiner Gesamtheit immer weniger aufrechtzuerhalten war.
Nach wie vor gibt es ja keine Möglichkeit, die Entstehung, Entwicklung und Langlebigkeit der RAF monokausal zu erklären. Daher bedurfte es zur Präzisierung des Kenntnisstandes eines multidisziplinären Forschungsprojektes. Die Zusammenarbeit von Historikern und Soziologen, Politologen und Juristen, Psychologen und Theologen, Kultur- und Medienwissenschaftlern, Germanisten und Amerikanisten, Japanologen wie Lateinamerikaexperten war hierfür unverzichtbar. Denn erst durch die Zusammenführung von Ergebnissen aus den  unterschiedlichsten Disziplinen war es möglich, diese miteinander zu vergleichen. In dem Projekt wurden Gründer wie Gruppen, Parallelorganisationen wie Netzwerke, Konzepte und Ideologien, Täter und Opfer, Zuschauer und Kommentatoren, Literaten, Filmemacher und Journalisten, mediale Multiplikatoren und die Grenzen des Rechtsstaates in der Antwort auf die terroristische Herausforderung analysiert. Das sich auf diesem Wege herauskristallisierende Bild warf in vielerlei Hinsicht neue Konturen auf. Vor allem aber stellte es die RAF in einen neuen Rahmen, in den des Kalten Krieges, in dem substaatliche Akteure von östlicher wie von westlicher Seite terroristische Ersatzkriege ausgefochten haben. 

(Stand Herbst 2006)


Die Ergebnisse des Projekts sind in einer Aufsatzsammlung, die die umfassendste neuere sozialwissenschaftliche Untersuchung zur Geschichte des Linksterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland darstellt, in der Hamburger Edition erschienen.